Neulich im Base_Camp...

Quelle: eplus-gruppe.de
Nein, es ist keine Verpflegungshütte vor dem nächsten hohen Berg und auch keine militärische Einrichtung, wie man bei den Namen vielleicht denken könnte. Base_Camp sind die E-Plus Base Ausstellungsräume, in der feinsten Mitte Berlins gelegen. Und da die E-Plus Gruppe den Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung schon seit mehreren Jahren unterstützt, fand dort am 6.September eine Talkrunde zum Thema "Ja ich will. Als Erwachsener Lesen und Schreiben lernen" statt. Zwischen Smart Phones und Tablets fand sich eine große Gruppe an Interessierten aus Wirtschaft und Politik, aus Bildungs- und Presseeinrichtungen und (ehemaligen) Betroffenen zusammen.

Die Talkrunde bestand aus Dr. Ernst Dieter Rossmann, Bildungspolitscher Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion (und auch Vorsitzender des Deutschen Volkshochschulverbandes), Peter Hubertus, Geschäftsführer des Bundesverbandes Alphabetisierung, Jutta Stobbe, Botschafterin für Alphabetisierung und ehemalige Betroffene.

Viele der dringenden Fragen, die auch schon auf der LISUM Tagung (siehe mein Blogentry vom 28.08.) angesprochen wurden, waren auch im Base_Camp Thema:

1.) Wie können Lerner für Alphabetisierungskurse gewonnen werden?
  • Frühere Werbekampagnen u.a. auch für das Alfa-Telefon waren erfolgreich (Telefon ist ein ideales Medium: nicht schriftsprachabhängig und anonym), weitere Kampagnen müssen folgen
  • Vorteile der Beherrschung von Lesen und Schreiben müssen deutlich gemacht werden, um als Motivator wirken zu können (Frau Stobbes Erfahrungen: der eigene Wirkungskreis erweitert sich extrem, sie nimmt jetzt kulturelle Angebote wahr, usw.)
  • In der Gesellschaft muss ein Bewusstseinswandel stattfinden: Eine Lese- und Schreibschwäche sollte nicht nur als Defizit wahrgenommen werden - es bedeutet nämlich auch die Beherrschung von vielen anderen Lebenstechniken, mit denen die Lese- und Schreibschwäche kompensiert wird
  • der Einsatz von prominenten Botschaftern (wie z.B. im Projekt iChance) ist wirkungsvoll
Peter Hubertus sprach einen wichtigen Zusammenhang an: Es muss auch genug Kurse geben, die die durch Werbung gewonnen Personen auch aufnehmen können. Das betraf dann einen zweiten Schwerpunkt:

2.) Wie kann das Kursangebot verbessert werden?
  • Es wurde zunächst festgehalten, dass bereits gute, methodisch vielfältige Kurse bestehen
  • Wichtig sind: 
    • differenzierte Kurse, 
    • flächendeckende Angebote auch in strukturschwachen Gebieten (manche Teilnehmer/innen wünschen sich einen Kurs in ihrer Nähe, andere vielleicht auf Grund der Stigmatisierung einen in größerer Entfernung zum Heimatort), 
    • intensive Angebote (zeitlich stark eingeschränkte VHS-Kurse sind nicht effektiv) 
    • und mehr Angebote (Peter Hubertus wirft eine Zahl in den Raum: 100.000 Kursplätze sollen insgesamt realisiert werden, dass sind 80.000 mehr als bis jetzt bestehen)
3.) Wie kann und muss die Gesellschaft ihren Lese- und Schreibschwachen helfen?
  •  Die Teilnehmer der Talkrunde waren sich einig, dass Lese- und Schreibschwäche die gesamte Gesellschaft angeht; 
    • Peter Hubertus meinte dazu, dass jede Organisation und jede Person sich fragen sollte: 'Was haben wir mit Alphabetisierung zu tun? Wie können wir einen Betrag leisten?
    • auch Ernst Dieter Rossmann betonte "alle müssen mitmachen"
  • Konkret kann das laut Rossmann so aussehen, dass Vertrauenspersonen, wie Ärzte, Betriebsräte, Personalbeauftragte oder Mitarbeiter in Jobcentern das Thema sensibel ansprechen und bei einem Umdenkprozess oder der Vermittlung in Kursangebote helfen
  • Unternehmer müssen in die Verantwortung genommen werden - dazu wurden erfolgreiche Beispiele präsentiert, wie z.B. der Chef eines 5-Sterne-Retaurants, der bewusst Lese- und Schreibschwache einstellt
  • Sowohl Jutta Stobbe als auch Peter Hubertus forderten für die Alphabetisierungsarbeit langfristige, fest institutionalisierte Einrichtungen und nicht nut befristete Projekte mit Honorarverträgen
Mein Fazit:
Die Talkrunde im Base_Camp sollte das Thema Alphabetisierung und Grundbildung am Vor-Vorabend des Weltalphabetisierungstags in das öffentliche Bewusstsein und die Medien holen. Insofern waren umwälzende Erkenntnisse oder grundlegende Veränderungen sicher nicht zu erwarten - und nicht Ziel der Veranstaltung. Die Runde war unterhaltsam und hat aktuelle Probleme angesprochen, der Austausch hinterher kann für die Vernetzung wichtig sein - und damit den Lernern zugute kommen. Am wichtigsten, schönsten und eindrücklichsten wäre es jedoch gewesen, den Lernern und Betroffenen noch mehr Raum zu geben.