Tagungsbericht: "Situation, Motivation, Angebote - 10. Fachtagung Alphabetisierung" - erster Tag

Quelle: www.alphabetisierung.de
"32 Workshops, 7 Input-Vorträge, 3 Talkformate, ein Infostand", so beschreibt der Bundesverband für Alphabetisierung und Grundbildung die zehnte Fachtagung Alphabetisierung in der Tagungsmappe. Rückblickend (stattgefunden hat sie vom 19.-21.09.) möchte man noch ein paar Zahlen ergänzen: 3 spannende Tage, ca. 240 Teilnehmer/innen, 2 Moderatoren/innen, so viele Lerner/innen wie noch nie zuvor (da fehlt mir leider eine genaue Zahl), ... und unzählige neue Informationen, Kontakte und Eindrücke.

Der
19.09.2012
begann mit Grußworten von Bart van der Meer, Erstem Stadtrat von Bad Wildungen, und Birgid Oertel vom Hessischen Kultusministerium.  

Peter Hubertus, der Geschäftsführer des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung, brachte die - auch hier im Blog - schon öfter angesprochene Terminologiefrage auf den Tisch: Wie sprechen wir von unserer Zielgruppe? Wie auch Frau Prof. Grotlüschen schon auf der LISUM-Tagung (mein Blogentry) feststellte, sollte der Begriff des "funktionalen Analphabetismus" Wissenschaft, Politik, Medien und Öffentlichkeit vorbehalten sein. Es müsste uns jedoch immer bewusst sein, dass sich die wichtigen Gruppen der Betroffenen, Vertrauenspersonen und auch Unternehmen davon nicht angesprochen fühlen. Dadurch ergibt sich ein Dilemma, das in jeder Veröffentlichung und in jeder Ansprache neu gelöst werden muss.

Marion Döbert gab anschließend einen Überblick zur "Situation von Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland im Spiegel der UN-Weltalphabetisierungedekade". Sie holte dabei weiter aus, denn eine vollständige Beschreibung der Dekade bedeutet auch einen Vergleich mit der Situation VOR der Dekade. Für jemanden wie mich, die noch nicht 30 Jahre Erfahrung in der Alphabetisierungsarbeit hat, war das eine wunderbar komprimierte Darstellung aller Meilensteine seit den 80er Jahren. Es zeigte aber auch deutlich, wie wenig in dem Bereich tatsächlich erreicht werden konnten, und wie weit wir noch selbst von akzeptablen Teilergebnissen entfernt sind. Zu dem gleichen Fazit führte auch Frau Döberts Gegenüberstellung von den "Bernburger Thesen zur Alphabetisierung" und den konkreten Ergebnissen am Ende der Dekade.
Sie war am Ende sehr unter Zeitdruck den Vortrag auch in der gegebenen Zeit zu beenden, aber, Frau Döbert, Ihrem informativen und unterhaltsamen Input hätten wir noch ewig zuhören können!

Prof. Anke Grotlüschen begann ihren Vortrag mit der Aussage, endlich einmal nicht die "Essentials" der leo-Studie vorstellen zu müssen. Stattdessen kam sie auf die neuen Ergebnisse internationaler Studien zu sprechen. Darunter besonders interessant: die "skills for life"-Studie aus Großbritannien wurde nun zum zweiten Mal durchgeführt, und so können die Ergebnisse der Alphabetisierungsarbeit seit 2003 ausgewertet werden. Es zeigte sich, dass trotz Investitionen keine signifikante Senkung der Zahlen erreicht werden konnte - was Frau Grotlüschen mit der falschen Investition der finanziellen Mittel erklärte. Weiterhin besprach sie die auseinandergehenden Ergebnisse von Alpha-Panel (einer Studie, die nur VHS-Kursteilnehmer befragte) und der leo-Studie und schließlich die leo-Studie mit Fokus auf dem Thema Beruf und Arbeit.

Quelle: Enrico
Vertreter/innen von Selbsthilfegruppen stellten ihr Lerner-Manifest mit einem kleinen Imagefilm vor. Das Manifest wurde im Austausch mit anderen Lernern aus Belgien, Deutschland, Irland, Frankreich, den Niederlanden und Spanien erstellt und kann hier nachgelesen werden.

Quelle: bildungsklick.de
Dagmar Ludzay stellte im Anschluss die neue Werbekampagne des BMBF "Lesen und Schreiben - mein Schlüssel zur Welt" vor, die zeitgleich in Berlin offiziell von Ministerin Annette Schawan eröffnet wurde. Die drei kurzen Werbespots (TV: 35s, Kino: 45s), in denen Erfolgsgeschichten präsentiert werden, wurden dem Publikum gezeigt und wurde in der anschließenden Diskussion kontrovers diskutiert.

Nach einer Kaffeepause begann dann der erste Workshop. Ich hatte mich für Peter Hubertus' "Zentrale Fragen von Unterricht, Kursangeboten und Perspektiven der Alphabetisierung" entschieden. Basierend auf den Fragen der Workshopteilnehmer ergaben sich u.a. folgende thematische Schwerpunkte:
  • Wie können Kursangebote im ländlichen Raum verankert werden? (hier wurde die überdurchschnittliche Bedeutung von Anonymität betont und Verbundplakate vorgeschlagen)
  • Wie geht man mit der Heterogenität der Lerngruppe um? (Heterogenität ist selbst bei gleichem Ausgangsstand nicht vermeidbar, da jede/r in seinem/ihrem ganz eigenen Lerntempo lernt; es wurde auch vor dem gemeinsamen Anbieten von Kursen für Migranten und deutschsprachigen Lese- und Schreibschwachen gewarnt: es bestehen ganz andere Bedürfnisse)
 Mit einem leckeren Abendessen, Konzert und DJ konnte der erste Tag der Fachtagung ausklingen.

Blogentry zum zweiten Tag der Fachtagung
Blogentry zum dritten Tag der Fachtagung