Akteure der Alphabetisierung: Dr. Frank Dittmer





ist seit 2011 Leiter der VHS Havelland (im Berliner Umland). Dort u.a. für Grundbildungsangebote zuständig: Erstberatungen / -Einstufungen von Lerninteressierten, Kursorganisation, Öffentlichkeitsarbeit, Koordination eines lokalen Alpha-Netzwerkes
  

Vorherige Berufliche Stationen:

•    1990 - 1997 Kultur-Koordinator und Pressereferent im Berliner Stadtbezirk Schöneberg.
•    1997 - 2002 Erziehungszeit / ehrenamtlicher Kulturstadtrat / Tourismus¬förderung / Literaturprojekte / Museumsgründung in Oranienbaum (Anhalt).
•    2003 - 2011 Programmbereichsleiter in der VHS Tempelhof-Schöneberg (Berlin).
 

1.) Warum haben Sie sich / hast du dich dazu entschieden, im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung zu arbeiten oder sich für den Bereich zu engagieren?

In der Volkshochschule bieten wir das ganze, breite Bildungs-Spektrum von der Alphabetisierung  über freizeitliche, berufliche Fortbildungen bis zum nachträglichen Schulabschluss an. Nichts davon ist (mir) unwichtig, alles erfordert volle Aktivität unserer kleinen, kompakten Mann-/ Frauschaft. Der Alpha-Bereich war vakant, wir wollten im Landkreis mehr dafür tun, es brauchte frisches Engagement. Schon war ich mittendrin in einem Gebiet, das ich vorher, obwohl studierter Sprachenmann, nur von der Ferne kannte. Aber diese neue Nähe tut mir gut. Von meinen Begegnungen mit den Lerner/innen habe ich menschlich, aber auch aufs Bildungswesen bezogen eine Menge gelernt.
 

2.) Welche Tätigkeit hat Ihnen/dir bisher in diesem Bereich am meisten Spaß gemacht?

Interessierte kommen zu mir in die Erstberatung – mit unsicheren Schritten, was sie erwartet, noch ganz benommen von ihrer Entscheidung, sich (zumindest halb) öffentlich zu ihrem Problem zu bekennen, es endlich in Angriff zu nehmen. Für beide Seiten, auch für mich, zunächst eine etwas ungemütliche Situation. Wenn aber Menschen erst in Kurse gefunden haben, eine Zeitlang im Hause und im Unterricht sind , sehe ich sie öfter wieder und bemerke die Entwicklung: Wie sie freier werden, Potentiale entdecken und für sich nutzen, tolle Lerngruppen bilden. Wir können jetzt ganz befreit mit einander umgehen und ich sehe: Da macht Bildungs-Arbeit einen ganz elementaren Sinn, öffnet Räume, ja Welten.
 

3.) Wie sehen Sie / siehst du die Zukunft in diesem Bereich, bzw. was ist Ihrer/deiner Meinung nach derzeit das dringlichste Problem?

Alle politischen Sonntagsredner haben erkannt: man muss im Bereich der Alphabetisierung etwas tun – und zwar nachhaltig und dauerhaft. Es werden aber meistens doch wieder nur Aktionismen mit Signalcharakter, befristete Förderprogramme, Dinge von der Hand in den Mund geplant und finanziert und die dauerhafte Arbeit wird weiterhin nicht ausreichend gefördert. Es braucht endlich verlässliche Arbeitsstrukturen und Angebote in diesem Bereich.
 

4.) Was möchten Sie / möchtest du dem beruflichen Nachwuchs mit auf den Weg geben?

Meine Erfahrung ist – und das gilt genauso im „Alpha-Bereich“ – dass es zwar jede Menge Pfade durch den Lern- und Lebensdschungel gibt, aber letztlich doch keine fertigen Wege, die für alle die richtigen sind. Das ist spannend, aber auch anstrengend. Und birgt Potential: Jeder kann seinen Weg finden – auch in die Alphabetisierungs-Arbeit. Die zugewandtesten Lehrer/innen habe ich hier unter den Quereinsteiger/innen gefunden!
 

5.) Was ist Ihr / dein Lieblingswort?

„Je näher man einen Satz anschaut, um so ferner schaut er zurück“, soll Karl Kraus gesagt haben. Das ist für mich so ein Lebens-Wort, auch für die Sprach-Vermittlung: Man findet immer wieder etwas Neues hinter gesprochener, geschriebener, gelesener Sprache, hinter Wörtern und Worten – und immer bleibt noch Raum für erneute Betrachtung und Nachfrage…!

 



Das Alphabet unterrichten

Beim Lesen und Schreiben lernen ist es wichtig, nicht den Buchstaben, sondern den Laut zu lernen. Also nicht B(e) [be], sondern ein möglichst reines [b]. Nicht Ha, sondern H, nicht eF, sondern F.
Das ist für die meisten Lernenden erst einmal ungewohnt. Denn häufig kennen sie die Buchstaben als Buchstaben - also A - Be -Ze. Das habe ich übrigens sowohl bei muttersprachlichen, als auch bei zweitsprachlichen Kursen gemerkt.
Auch fängt man im Unterricht nicht bei A an und hört bei Z auf. Es macht sehr viel mehr Sinn, mit den ganz häufigen Buchstaben anzufangen, und sich die seltenen für später aufzuheben.
Trotzdem ist es wichtig, dass Lerner die Buchstabenwerte kennen. Besonders Lerner mit Migrations-Hintergrund werden oft gebeten, ihren Namen zu buchstabieren. Und die Reihenfolge des ABCs zu können ist nötig, um ein Wörterbuch oder ein Telefonbuch zu benutzen.

Hier also ein paar Gedanken zum Unterricht (Deutsch als Zweitsprache) zum Thema "Alphabet":

  • Gerade Lernern von Deutsch als Zweitsprache muss man begründen, warum plötzlich nicht mehr B sondern Be gesagt wird. Ich sage, dass Be der Name des Buchstaben ist. Und dass man Be sagt, wenn der Buchstabe alleine steht, und B, wenn er in einem Wort steht.
  • Da kann man übrigens gut den Unterschied von Mitlauten und Selbstlauten zeigen. Das ist ja oft nicht ganz einfach. Selbstlaute sind die, die alleine klingen und die man singen kann. Aber Nasale, wie M und N, kann man mit etwas gutem Willen halt auch singen. Deswegen: Mitlaute werden im Alphabet immer anders gesprochen, als ihr Lautwert; Selbstlaute nicht. Es gibt Be und Ha und eF, aber nur A und E und I...
  • Warum ist es wichtig, das Alphabet zu können? Damit man buchstabieren kann, Damit man ein Wörterbuch oder ein Telefonbuch benutzen kann. Auch Listen sind häufig alphabetisch sortiert. Dazu zeige ich den Lernern die Teilnehmerliste.

Mit diesen Aufgaben kann die Buchstaben und deren Reihenfolge üben:

  • die Buchstaben zusammen im Chor lesen; als Kettenübung nacheinander lesen
  • die Frage einführen: "Wie schreibt man das?", "Wie buchstabiert man das?" Jeder buchstabiert seinen Nachnamen, die anderen schreiben mit. Dann gehen die Teilnehmer herum und befragen sich gegenseitig. 
  • Wir sammeln alle Nachnamen im Kurs und sortieren sie alphabetisch. Dann vergleichen wir mit der Teilnehmerliste.
  • mit Wortschatzkärtchen - auch zum Wiederholen von altem Wortschatz: 
    • ein Lerner sucht sich ein Kärtchen aus und buchstabiert das Wort, die anderen schreiben mit
    • ein Lerner sucht sich ein Kärtchen aus, und die Gruppe spielt "Galgenraten"
  • mit vorbereiteten Arbeitsblättern: 
    • das Alphabet ist aufgeschrieben, aber es gibt kleine Fehler. Diese müssen gefunden werden; 
    • das Alphabet ist aufgeschrieben, aber es gibt Lücken. Diese müssen gefüllt werden.
    • Manche Arbeitsbücher (z.B. "Ihr Start ins Deutsche 2" S. 7) haben kleine Aufgaben, in denen die Buchstaben in der Reihe des Alphabets verbunden werden müssen, damit ein Bild entsteht.
  • mit (von den Teilnehmern selbst angefertigten) Buchstabenkärtchen: 
    • einer sagt einen Buchstaben, die anderen halten ihn hoch
    • Ich bereite zwei Umschläge vor, einer A-M, der andere N-Z. Die Teilnehmer sortieren ihre Buchstaben in die Umschläge. Danach werden die Umschläge an zwei Gruppen verteilt, die das Ergebnis kontrollieren. Dann wird alles gemischt und jeder nimmt wieder einen Buchstaben und sortiert ihn zurück in das Alphabet.
    • im Zusammenhang mit den Umschlägen kann man auch verdeutlichen, dass es diese Bezeichnung oft in Ämtern gibt. Dann muss man sich seinem Nachnamen nach einer Tür zuordnen. Ich frage die Teilnehmer, zu welcher Tür sie gehören.
    • für die schnellen Teilnehmer: sie mischen die Kärtchen, ziehen 5 oder 6 und bringen sie dann in die richtige alphabetische Reihenfolge.